Liebe Anglizismen oder falsche Freund*innen? So erkennen Sie den Unterschied!
by Sandra Anni Lang / in Journalismus · lang.text-Blog / 1 CommentSprache verändert sich. Weil wir kreativ mit ihr umgehen, alte und neue Sprachregeln spielerisch kombinieren. Unser Wortschatz wächst, die Grammatik wird gefälliger, zum Beispiel durch Anglizismen. Doch Anglizismen können verwässern, verschleiern und sich aufblasen. Wann bewähren sie sich, wann hemmen sie die Verständlichkeit von Texten? Das beschreibe ich in diesem Beitrag.
Im Netz ohne Anglizismen: Wir kämen keine zwei Sätze weit.
Bachelor, Data Mining, Server, Podcast oder Link – Englisch sprechen und schreiben wir besonders in Medien, Werbung und IT. Als Teil der Fachsprache rund um Computer, Software und Internet kämen wir ohne Anglizismen keine zwei Sätze weit: Im Netz downloaden, tweeten, googeln und whatsappen wir. Vergleichbare deutsche Synonyme klängen hölzern und ein- oder zweisilbige Wörter prägen sich einfach besser ein als mehrsilbige, zum Beispiel „Spam“ statt „unerwünschte Werbepost“, „E-Mail“ statt „elektronische Nachricht“ oder „Checkliste“ statt „Prüfliste“.
Suchen Sie nicht krampfhaft nach deutschen Umschreibungen – branchentypische Anglizismen haben sich im Sprachgebrauch bewährt.
Verdrängende Anglizismen – so viele wie notwendig, so wenig wie möglich
Ersetzende oder verdrängende Anglizismen verwenden wir, obwohl adäquate und gute deutsche Begriffe existieren: „Feedback“ statt „Rückmeldung“ oder „Media Monitoring“ statt „Medienbeobachtung“. Im Austausch auf Augenhöhe mit Kolleg*innen und Geschäftspartner*innen haben sie sich gefestigt. Sind Ihre Kund*innen und Ihre Zielgruppe eher traditionsbewusst oder stören sie sich gar daran? Dann verwenden Sie nur so viele wie unbedingt notwendig und ansonsten deutsche Begriffe: „Geldfluss“ statt „Cashflow“, „soziale Netzwerke“ statt „Social Media“, „Abgabeschluss“ statt „Deadline“.
Eindeutig und klar statt catchy und smoothy
Manchmal benutzen wir Anglizismen, weil es bequem ist oder weil wir meinen, deutsche Begriffe verengen die Semantik, sind weniger präzise, weniger catchy und smoothy, zum Beispiel „High Potentials“, „Consumer Benefit“, „Kickstart“ oder „Best Practice“. Doch manche Anglizismen verstehen Ihre Leser*innen schlicht nicht, die Gefahr ist groß, dass das Gemeinte nicht eindeutig und klar ankommt. Machen Sie es einfach, prüfen Sie, ob Sie mit „qualifizierten Nachwuchskräften“, „Kund*innennutzen“, „Projektstart“ und „bewährte Praktiken“ präziser benennen können, was Sie meinen.
Falsche Freund*innen, oft missverstanden
Und schließlich verwenden wir gerade in Marketing und Werbung scheinbare Anglizismen, deutsche Wortschöpfungen, die es im Englischen nicht gibt oder in anderen Zusammenhängen verwendet werden – sogenannte „falsche Freund*innen“ – ob „Homestory“, „Handy“, „Coffee to go“ oder „Service Point“. Beispielsweise bezeichnet man im Englischen mit „Handy“ kein Mobiltelefon, sondern meint damit „praktisch“ oder „handlich“.
Bekannte missverstandene Slogans wie „Come in and find out“ der Parfümerie-Kette Douglas oder das SAT.1-Motto „Powered by emotion“ übersetzten Kund*innen und Zuschauer*innen mit „Komm rein und finde wieder raus“ und „Kraft durch Freude“.
Englischsprachige Slogans und Claims werden zwar als „interessanter“ empfunden, aber die Produktaussagen werden mehrheitlich nicht verstanden, wie die Claimstudie 2016 belegt. Mangelnde Originalität wettzumachen, indem wir Englisch einsetzen, sei danach nicht erfolgversprechend. Einprägsamer, verständlicher und nachhaltiger wirken meistens deutsche Claims, zum Beispiel „Ich bin doch nicht blöd“ (Media Markt), „Wohnst Du noch oder lebst Du schon?“ (Ikea) und „Nichts ist unmöglich“ (Toyota).
Fazit
Das Englische sickert nach und nach wie selbstverständlich ins Deutsche ein. Statt bemüht nach Übersetzungen zu suchen, verwenden wir vor allem in Medien, Werbung und IT Anglizismen. Wenn Sie Ihre Texte damit nicht überfrachten, machen Sie es Ihren Leser*innen leicht. Ersetzende Anglizismen sollten wir dosiert verwenden und falsche Freund*innen ganz meiden. Die könnten nicht nur Ihre Kund*innen missverstehen, sondern auch der Google-Übersetzer.
Haben Sie Fragen oder Ergänzungen? Dann freue ich mich auf Ihre Rückmeldung.
Ihren kurzen Ausführungen, die das Problem aber auf den Punkt bringen, stimme ich voll zu. Ergänzend möchte ich, dass unter uns noch Generationen leben, die in ihrer Schulbildung Englisch nicht gelernt haben. Meine Mutter versteht z. B. nicht die Begriffe SALE und SCHOPPEN nicht und regt sich über die öffentliche Verwendung auf. Und ich bin der Meinung, dass zu viele verdrängende und differenzierende Anglizismen eher verblöden.