Früher waren Kunstwerke Gebilde, denen man mit respektvollem Abstand begegnen musste. Heute darf Kunst benutzt werden, steckt die Kunst in der körperlichen Erfahrung. Mit der Skulptur „Tiger & Turtle – Magic Mountain” hat das Künstlerduo Ulrich Genth und Heike Mutter diese körperliche Nähe geschaffen. „Uns war wichtig, dass ‚Tiger & Turtle‘ als Skulptur wirkt, ihr aber zugleich ein menschliches Maß innewohnt“, erklärt Heike Mutter anlässlich der Eröffnung der Großskulptur am Samstag, 12. November 2011, auf der Duisburger Landmarke Angerpark in Duisburg-Wanheim.
Gut ein Jahr nach Grundsteinlegung ist die Skulptur im Beisein von Fritz Pleitgen, ehemaliger Vorsitzender der Geschäftsführung der Kulturhauptstadt 2010, dem Oberbürgermeister der Stadt Duisburg, Adolf Sauerland, sowie den Künstlern, Projektbeteiligten und Förderern eröffnet worden.
90 Tonnen schwer, 220 begehbare Meter lang, 20 Meter hoch und 2,5 Millionen Euro teuer ist das magische Werk, von dem Ulrich Genth sagt, dass ein Künstler ein Kunstwerk dieser Art und in diesen Dimensionen wohl nur einmal im Leben realisiere. Partnerin Heike Mutter vergleicht die zweieinhalbjährige Arbeit an der Achterbahn-Skulptur mit dem Bau eines Einfamilienhauses.
Seit dem 13. November 2011 ist die Skulptur für jeden zugänglich und kann von jedem nun aktiv erobert werden – vorausgesetzt der Besucher ist schwindelfrei – denn die insgesamt 394 Gitterroste auf 17 Stützen lassen den Blick nach unten frei. Zudem wankt die ein Meter breite Gehbahn des verzinkten Stahlgebildes bei mehreren Personen leicht hin und her.
Nachts erscheint „Tiger & Turtle – Magic Mountain“ als leuchtendes Lichtband am Himmel: 880 LED-Module wurden in den oberen Handlauf eingearbeitet.
Das Künstlerduo Genth und Mutter hat das begehbare Monument auf der Kuppe einer ehemaligen Deponie erbaut. Es steht auf dem ehemaligen Zinkhüttengelände auf der Heinrich-Hildebrand-Höhe – vis-à-vis der Hüttenwerke Krupp Mannesmann, im Umfeld von Industrie, Hafen und Wohnvierteln.
100 Jahre lang produzierte an dem Standort die Wanheimer Metallhütte Berzelius (MHD; später Sudamin MHD) im Stadtteil Wanheim-Angerhausen Zink. 2005 meldete die Hütte Insolvenz an. Kurz darauf wurde sie geschlossen. Die ehemalige Schlackenhalde wurde umweltgerecht gesichert und 2008 in einen öffentlichen Park umgewandelt.
Nicht nur haben die Künstler mit den verwendeten Materialien Stahl und Zink den historischen Bezug zum Standort hergestellt, sondern auch die Nähe zu den Menschen herstellen wollen. „Das Nachdenken über eine bleibende Kunst im öffentlichen Raum bedeutet für uns eine konkrete Besinnung auf ihre tatsächlichen Wirkpotenziale. Bei unserer Landmarke geht es uns vor allem auch um das Vertrauen der Bevölkerung in die Kunst“, so das Künstlerduo. „Eine solche Arbeit, die als Landmarke und im besten Fall sogar als Wahrzeichen die Gegend dauerhaft prägen wird, kann nicht gegen den Willen einer großen Mehrheit durchgesetzt werden. Es hat uns sehr gefreut, dass die Arbeit von Anfang an gute Resonanz bekommen hat.“
„Tiger & Turtle” ist ein weiterer markanter Punkt auf der Ruhrgebiets-Kunstlandkarte. Eine Skulptur, die sich Besucher ohne große Schwellenangst erschließen können und die sich zugleich als große künstlerische Landmarke mit historischem Bezug präsentiert. Bei „Tiger & Turtle” wirkt Kunst am besten: Statt sie passiv zu bestaunen, darf und soll sie aktiv erkundet werden.
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